20. Juli 1997 Chuck Berry, Jerry Lee Lewis, Little Richard

Aus Rockinberlin
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20. Juli 1997
Legends Of Rock'n' Roll
Ort Wuhlheide
Uhrzeit 19.00 Uhr
Bands/Künstler
Chuck Berry
Jerry Lee Lewis
Little Richard
Setlist
Chuck Berry
Jerry Lee Lewis
Little Richard

Berichte[Bearbeiten]

Rüstige Rentnergang des Rock'n'Roll
Chuck Berry, Little Richard und Jerry Lee Lewis in der regennassen Wuhlheide-Freilichtbühne

Blau und gelb sind die vorherrschenden Modefarben in der Freilichtbühne an der Wuhlheide. Wer keinen Schirm hat, watet eben in Plastikmüllsack oder Öljacke durch das windige Feuchtbiotop, in dem gleich drei Könige des Rock'n'Roll standhaft dem Regenwetter trotzend hofhalten. Es sind drei Entertainer, die alle kräftig an der Wiege des Rock 'n' Roll mitgeschaukelt haben: Chuck Berry, Little Richard und Jerry Lee Lewis; eine rüstige Rentnergang, die noch immer den Rhythmus in den Knochen und den Rock'n'Roll im Blut hat.

Wer weiß? Ohne sie wäre vielleicht so manches in der Geschichte der populären Musik anders verlaufen. Sie standen alle an einem aufregenden Anfang, der den Siegeszug der Rockmusik losgetreten hat. Sie haben die Popmusik revolutioniert - und gar nicht gewußt, was sie da anzetteln. Chuck Berry zum Beispiel, der heute 66jährige Sänger und Gitarrist aus St. Louis, der den regnerischen Abend in der Wuhlheide mit seinem "Roll Over Beethoven" eröffnet. Er hatte Mitte der fünfziger Jahre schwarzen Blues und weiße Country-Music mit frechen Teenager-Texten, straffem Beat und elektrifizierter Gitarre angereichert - und heraus kamen Songs, die zu Meilensteinen auf dem amerikanischen Rock-Highway wurden.

Mit einem ungeheuer dumpfen Gitarrensound und einer gediegenen Drei-Mann-Band an Piano, Baß und Schlagzeug im Rücken wühlt sich Berry eine gute Stunde lang durch ein Repertoire der Ohrwürmer von "Hail Hail Rock'n'Roll" bis "My Ding-A-Ling", nicht ohne zwischendurch mit "When Things Go Wrong" seine Blueswurzeln zu beschwören. Und bei "Johnny B. Goode" holte er sich Fans aus dem Publikum zum Tanzen auf die Bühne. Man hat die ganzen Klassiker in den vergangenen Jahren ehrlich gesagt alle schon mal besser gehört, auch von anderen Interpreten. Aber Chuck Berry hat sich diese juvenilen Hymnen ausgedacht. Hier verspielt sich immerhin das Original. Applaus.

Und nein, keine Zugabe. Nach kurzer Umbaupause geht’s weiter im Programm mit dem selbsternannten "originator, emancipator, architect of Rock and Roll", Little Richard, 1932 als Richard Wayne Penniman in Macon/Georgia geboren. Kaum ein Musiker, von Elvis Presley über die Beatles bis zu Prince, der nicht auch ihn als als prägendes Vorbild anführt. Mit seinem Megahit "Tutti Frutti" und dem Schlachtruf "A-Wop-Bop-A-Looba A-Wop-Bom-Boom" avancierte der schrille Paradiesvogel 1955 zu einem quirligen Liberace des Rock, konvertierte später zum Adventisten-Prediger, feierte in den achtziger Jahren aber ein glanzvolles Comeback. "Are You Ready To See Me?" fragt er die rund viereinhalbtausend Besucher im Wuhlheidenrund. Keine Frage.

Die Show ist ähnlich wie im vergangenen Jahr im Tempodrom, nur straffer, des Zeitplans wegen. Seine zehn Musiker - zwei Gitarristen, zwei Bassisten, zwei Schlagzeuger, zwei Saxophonisten, ein Trompeter und ein Keyboarder - walzen wuchtig und mitunter in irrsinnigem Tempo durch das Repertoire von "Good Golly, Miss Molly" über "Bamalama Bamaloo" bis zu "Lucille", auch Shaun und James, die beiden durchtrainiert-lasziven Tänzer, hüpfen und hampeln wieder ausgelassen übers Areal. Und der Bühnenarbeiter, der alle paar Songs die Bühne vom Regenwasser freischrubbt, hat inzwischen längst Running-Gag-Status und bekommt Zwischenapplaus.

Büchlein mit Autogrammkarten werden auch wieder verteilt. Wer mit gierigen Händen eine der Gratisgaben ergattert hat, kann eine schlecht gedruckte Little-Richard-Postkarte und die Adventisten-Schrift "Der bessere Weg" als Bettlektüre mit nach Hause nehmen. Und nein, wieder keine Zugabe. Nach längerem Umbau nimmt Jerry Lee Lewis die Bühne in Beschlag. Das heißt, erst einmal spielt sich seine Band durch mehrere Songs hindurch warm, was zu Unmutsäußerungen im Publikum führt und die blondmähnige Sängerin Phoebe Lewis, die 1963 geborene Tochter von Jerry Lee und Myra Lewis, von der Bühne und den "Killer" endlich ans weiße E-Piano treibt.

Lewis ist mit seinen 61 Jahren der Youngster in diesem Triumvirat - und wirkt wie der Stubenälteste. Männer in schwarzen Anzügen spielen beinharten Rock'n'Roll. Lewis spult sein knappes Repertoire ab, wirkt etwas hölzern und lustlos, aber zumindest routiniert. Wieder Klassiker zuhauf. "High School Confidential", "Whole Lotta Shakin' Goin' On" und "Great Balls Of Fire". Hier singt der Chef. Und mit einem Elvis-Medley aus "Jailhouse Rock" und "Hound Dog" gibt’s sogar noch eine Zugabe an diesem feuchten und doch fröhlichen Abend voller "Old Time Rock and Roll" und einer geballten Ladung geradezu rührender Nostalgie.

Weblinks[Bearbeiten]