Entwurf:Lebenslauf Musik Bernd M: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 15. Juli 2019, 11:17 Uhr

Familie[Bearbeiten]

In unserer Familie spielte Musik keine große Rolle. Niemand spielte ein Instrument. Es wurde auch kaum gesungen. Ich erinnere mich an Montagabende an denen ich mit meinen Großeltern mütterlicherseits Schlager der Woche mit Fred Ignor hörte. Das Radiogerät, vor dem wir saßen, besitze ich heute noch. Es war aber nur Vorbereitung auf Es geschah in Berlin. Eine Reihe von Kriminalhörspielen, in denen Komissar Z Berliner Ganoven jagte. Jagen ist in diesem Zusammenhang wohl zu hoch gegriffen. Meist ging es um kleinere Betrügereien und Diebstähle. Das Ganze hatte die Betulichkeit der 50er Jahre. Gewalt spielte, im Gegensatz zu unseren heutigen Tagen, keine Rolle.

Anfänge[Bearbeiten]

Ich weiß nicht mehr, wann der Plattenspieler angeschafft wurde. Es muss wohl Mitte der 60er Jahre gewesen sein, als ich mit meiner Mutter in die Wohnung in der Warthestraße gezogen war. An den Hersteller habe ich keine Erinnerung. Es war meine Mutter, die begonnen hatte, ein paar Singles zu kaufen, um mehr Ivo Robic, Sascha Distel und Peter Alexander zu hören. Auch die unvermeidlichen Lara’s Theme(aus Dr. Schiwago) und Il Silenzio fehlten nicht. Meine erste Wahl war das unsägliche Auf meiner Ranch bin ich König von Peter Hinnen. Ronny mit seinen Country Schnulzen, á la Kleine Annabell war es ebenfalls gelungen, mein Herz zu gewinnen. Mit Downtown von Petula Clark wurden diese Pfade verlassen. Big Bad Wolf von Brian Diamond und seinen Cutters konnte man als erstes progressives Zeichen deuten.

Erstes Konzert[Bearbeiten]

In Erinnerung sind mir die grellbunten Jacken der Band geblieben. Ergänzt mit Turbanen auf denen eine Feder prangte. Wichtig war, dass Sam the Sham und seine Pharaos Woolly Bully spielten. Zeitweise dachte ich, dass dieses Ereignis nur ein Ergebnis meiner Phantasie wäre. Doch dann habe ich Horst den Plattenhändler kennengelernt, der Jahrgang 1947 ist. Er war bei dem Konzert im Europa-Palast auf der Hermannstraße in Neukölln. Das war die Bestätigung, die ich brauchte. Ich hatte es selbst erlebt!


1965 wollte ich natürlich zu den Rolling Stones in die Waldbühne. Meine Mutter verbot es. Am nächsten Morgen präsentierte sie mir triumphierend die Schlagzeile der BZ: „Tumult in der Waldbühne“. „Davor habe ich Dich bewahrt“, kommentierte sie.

Der Rock tritt auf[Bearbeiten]

Im Dezember 1967 war es dann soweit. Ich erlebte mein erstes Rockkonzert. Eigentlich nur ein halbes Konzert. Denn die erste Hälfte bestritten Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick & Tich mit ihren Popsongs. Nur The Legend Of Xanadu bot mehr. Im zweiten Teil trat Eric Burdon mit seinen New Animals auf. Sie spielten das The Twain Shall Meet Album inklusive Sky Pilot und Monterey. Dabei verwendeten sie eine Violine. Das war etwas völlig Neuartiges. Ich war begeistert! Zustande gekommen war der Besuch, weil ich ein eifriger s-f-beat Hörer war, wo ich bei einer Verlosung eine Freikarte gewonnen hatte.

Die Rockmusik übernimmt[Bearbeiten]

Wenn in diesen Jahren etwas Bemerkens würdiges in Berlin stattfand, wollte ich es nicht verpassen. So erlebte ich: die Stones, The Nice, Deep Purple, The Who, The Flock & The Free, Jimi Hendrix, Procol Harum, Canned Heat und Ten Years After. Aber auch: John Mayall, Alexis Korner und einige Jazzkonzerte.

Eine denkwürdige Fahrt[Bearbeiten]

Ende 1972 will meine Schule zu Weihnachten feiern. Weil das Leibniz-Gymnasium keine Aula hat, weicht man in den Saal einer Schule in der Wilmsstraße aus. Im literarischen Teil sollen Gedichte vorgetragen werden. Das wird von meiner Religionslehrerin Frau Graeser organisiert. Ich soll zwei Mal ans Mikrofon treten. Mit einem Text über den letzten Menschen aus Friedrich Nietzsches Also sprach Zarathustra und einem Gedicht von Erich Mühsam, Der Revoluzzer. Ich will den feierlichen Anlass würdigen, indem ich meinen besten Anzug aus dunkelblauem Samt trage. Als optischen Kontrast stellte ich mir eine weiße Krawatte vor. Die muss ich lange suchen, bis ich etwas Passendes in einem Geschäft für Richter- und Rechtsanwaltsbedarf finde. Wenn ich heute das Foto von mir betrachte, fällt mir auch die Mappe auf, in der sich die Texte befinden. Sie ist aus braunem Karton. Meine Mutter, die von Beruf Buchbinderin war, hatte sie für mich angefertigt. Leider besitze ich sie nicht mehr. Mit dem Vortrag des Revoluzzers gelingt mir sogar ein kleiner Erfolg beim Publikum, als ich auf den Untertitel „Der deutschen Sozialdemokratie gewidmet“ hinweise. Denn viele der Anwesenden wissen, dass unser neuer Direktor den Posten vor allem seinem SPD-Parteibuch verdankt. Nicht weil er ein besonders guter Pädagoge wäre. Die ganze Veranstaltung findet am 24. November 1972 statt. Das kollidiert mit meinen Plänen, mir die neue Band von Frank Zappa in der Deutschlandhalle anzuhören und anzusehen. Weil ich aber Frau Graeser nicht enttäuschen will, verzichte ich auf das Konzert. Allerdings suche ich nach einer Alternative. Die ist mit dem Konzert in Frankfurt am Main gefunden. Doch wie kommt man mit dem Taschengeld eines Gymnasiasten zu einem Konzert in der Fremde. Die 17 D-Mark für die Eintrittskarte bringe ich zusammen. Doch wie krie-ge ich Anreise und Übernachtung hin? Erste Idee war natürlich, nach FFM zu trampen. Doch das hängt mit jeder Menge Zufälle zusammen. Wie könnte es noch klappen? Mit einem geliehenen Auto vielleicht? Ich habe ja nicht mal einen Führerschein. Den hat Jogi, ein guter Schulfreund. Er würde mit mir nach Frankfurt fahren, wenn ich ihm den Eintritt spendiere. Das bekomme ich hin. Aber einen reisetüchtigen Wagen. hat er auch nicht. Als letzte Hoffnung beschließe ich, Frau Graeser zu fragen. Jogi und ich besuchen sie. Ihr eigenes Auto will sie uns nicht anvertrauen. Irgendwie verständlich! Zu unserer Überraschung leiht sie uns den Käfer ihrer Tochter. Die Hinfahrt verläuft ohne Probleme. Wir kommen rechtzeitig zur Halle. Ich habe mir einen kleinen Kassettenrecorder geliehen, um das Konzert aufzunehmen. Das klappt ganz prima. Unsere Plätze in der 6. Reihe sind genau richtig. Ich habe die Aufnahmen heute noch. Es wird ein großartiges Konzert. Der Meister bringt eine Mischung aus Kabarett, mit den beiden früheren Sängern der Turtles als Protagonisten, und längeren bekannten Instrumentalstücken auf die Bühne. Bei diesen Nummern wird in Solopassagen ausgiebig improvisiert: Zappa auf der Gitarre, Ian Underwood auf einem elektronisch verstärkten Saxophon und Don Preston auf einem Synthesizer. Im Kabarettteil wird eine absurde Geschichte erzählt, bei dem ein Sofa eine tragende Rolle spielt. An diesem Abend verstehe ich die Geschichte noch nicht. Wenn es denn daran etwas zu verstehen gibt. Wir bekommen auch den Mudshark zu hören. Die Geschichte kenne ich von der Live-LP aus dem Fillmore West. Besonders beeindruckt mich an diesem Abend Aynsley Dunbar als Schlagzeuger, der Gelegenheit bekommt, mit einem Solo zu glänzen. Das Konzert endet mit Happy Together, dem großen Hit der Turtles, als Zugabe. Am gleichen Abend ist eine zweite Show geplant. Also versuchen wir, da wir dafür keine Karte haben, irgendwie im Saal zu bleiben. Dabei begegnen wir Don Preston, der uns aber auch nicht helfen kann. Wir verlassen die Jahrhunderthalle und warten davor. Tatsächlich dürfen wir wieder hinein, als ein paar Leute das Konzert verlassen. Als wir wieder im Saal sind, erleben wir Frank Zappa, wie er lässig entspannt auf einem Verstärker sitzend, auf der Gitarre improvisiert. Leider erinnere ich mich nicht mehr, welches Stück er einleitet. Der Kabarettteil bringt uns diesmal die Geschichte von Billy the Mountain. Nach diesem wunderbaren musikalischen Erlebnis brauchen wir noch ein Nachtlager. Wir haben gehört, dass es im Westend von Frankfurt am Main besetzte Häuser geben soll, wo man vielleicht unterkommen könnte. Wir haben Glück und finden einen Schlafplatz. Eine Matratze auf dem Boden genügt uns. Als wir uns am nächsten Morgen auf die Rückfahrt machen, fahren wir durch einen wahren Schneesturm. Doch mein Freund Jogi, dessen Qualitäten als Autofahrer ich vertraue, bringt uns sicher zurück nach Berlin.