Szene in den 70ern

Aus Rockinberlin
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Text von Joachim Strieben, entstanden 1980. Bearbeitet von Bernd M. Radowicz, 2007.


Berlin kann mit seiner Rockszene schon auf eine langjährige Tradition zurückblicken. Dennoch mangelt es an Dokumenten. Man muß sich die einzelnen Informationen aus kurzen Artikeln der örtlichen Veranstaltungsmagazine oder von meist schwer aufzufindenden Veteranen des Rockgeschäfts holen. Die bürgerliche Tagespresse, wie auch die Informationshefte der Berlinwerbung, behandeln das Thema Rockmusik bis auf den heutigen Tag nicht entsprechend dem bestehenden Interesse. Sie fallen als Informationsquellen praktisch aus. Sehr selten sind Konzertkritiken in der Tagespresse zu finden. Eine lokale Szene läßt sich am leichtesten an den Auftrittsorten festmachen.

Auftrittsorte in Berlin[Bearbeiten]

Sportpalast[Bearbeiten]

Der Berliner Sportpalast war 1910 für 7000 Zuschauer an der Potsdamer Straße in Schöneberg erbaut worden. Er erlebte, nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und seiner Wiedereröffnung 1951, so manches große Rockkonzert, bevor er im November 1973 abgerissen wurde.

Eissporthalle[Bearbeiten]

Im selben Jahr wurde am 28. Oktober die Eissporthalle an der Jafféstraße eröffnet. Sie ist als Mehrzweckhalle für Sportveranstaltungen konzipiert worden.

Deutschlandhalle[Bearbeiten]

Gleich neben der Eissporthalle steht die Deutschlandhalle. Sie wurde 1935 für sportliche und politische Veranstaltungen gebaut. Nach ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg stand sie im Herbst 1957 mit 12000 Plätzen wieder zur Verfügung. Bekannte jährlich wiederkehrende Veranstaltungen sind das Berliner 6-Tage-Rennen und die Zirkusrevue «Menschen, Tiere, Sensationen». Dadurch daß beide Hallen als Sporthallen eingerichtet wurden, haben sie eine dementsprechend schlechte Akustik. Bei der hohen Publikumswirksamkeit vieler Rockgruppen kam beiden Hallen im Laufe der siebziger Jahre eine wachsende Bedeutung für die Konzerte sogenannter Supergruppen zu.

Philharmonie[Bearbeiten]

Bis l978 wurde auch die Philharmonie, der sogenannte Zirkus Karajani, ab und an für Rockkonzerte genutzt. Die sehr gute Akustik kam Rockmusik nur begrenzt zugute, auch war die Stromversorgung der Lichtanlage zum Beispiel von KANSAS schon nicht mehr gewachsen. Die rauchenden und angeblich «unordentlichen» Rockfans, die so gar nicht in den Rahmen passen wollen, waren der neuen Hallenverwaltung dann doch zuviel, und so wird es hier auf absehbare Zeit bei Karajan und den jährlichen Jazztagen bleiben.

Hochschule der Künste[Bearbeiten]

Eine ähnlich gute Akustik besitzt der Konzertsaal der Hochschule für Bildende Künste in der Hardenbergstraße, der bis heute gelegentlich für Rock- und Folkveranstaltungen genutzt wird.

Neue Welt[Bearbeiten]

Regelmäßig gebucht wird der große Saal der Neuen Welt in der Hasenheide. Dessen Akustik allerdings zu wünschen übrig läßt.

Taverne am Lützowplatz[Bearbeiten]

Bis 1979 konnte die Taverne am Lützowplatz für Veranstaltungen jeder Art gemietet werden. In dem recht flachen Holzbau fanden ca. 3000 Menschen Platz. Gerade dadurch, daß die Taverne niedrig und man von viel Holzeinrichtung umgeben war, machte sich hier bei Rockkonzerten schnell Stimmung breit. Die Taverne wurde 1979 wegen Unwirtschaftlichkeit an eine Möbelfirma verkauft.

Waldbühne[Bearbeiten]

Die Waldbühne in der Nähe des Olympiastadions ist ein Freilichttheater, das sich recht gut für Open-Air-Festivals eignet. Sie war lange Zeit für Rockkonzerte gesperrt, da Fans dort nach einem Konzert der Rolling Stones alles kurz und klein geschlagen hatten.

Alle diese Konzertstätten sind zu anderen Zwecken erbaut worden, als dem, Rockgruppen einem großen Publikum vorzustellen. Im Laufe der siebziger Jahre entwickelte sich allerdings eine ungeheure Nachfrage nach diesen Mammutkonzerten. Um 1977/78 sah es so aus, als würden die Berliner Jugendlichen den Rock'n Roll mit Diskotheken und sterilen, plattenperfekt aufgeführten Starkonzerten beerdigen wollen. Man zahlte 15 bis 25 DM für lebensbedrohendes Gedränge unter Polizeiaufsicht. Von den Konzerten der Endsechziger war nur die cannabisgeschwängerte Luft in den Hallen geblieben. Es gehört bis heute zum guten Ton in einigen Rockkreisen, beispielsweise zum alljährlichen Konzert von SANTANA in die Deutschlandhalle zu gehen, wie man in anderen Kreisen jede Karajan-Premiere besucht. Doch gehen wir eine Ebene im Rockgeschäft herunter und gleichzeitig an das Ende der sechziger Jahre zurück. Damals gab es einen Wandel in der Club und Diskothekenszene. Die hellen, schlecht eingerichteten Beatschuppen verschwanden oder verwandelten sich. Die Läden wurden dunkler und aufwendiger eingerichtet: Schwarz getünchte Wände, leuchtende Poster mit jointrauchenden Mädchen, indisch angehauchte Malereien und eine härtere, kompromißlose Musik machten sich breit, Lichtspiele mit blubbernden Farben, Stroboskope und indirekte Beleuchtung wurden beliebt, man begann, allein und freier zu tanzen. Das Sun war der erste Undergroundladen in Berlin, aber bald waren es andere Namen. Zodiac, Beautiful Balloon, Park und Sound.

Zodiac[Bearbeiten]

Das Zodiac war von 1968 bis Ende 1970 unter der Schaubühne am Halleschen Ufer zu finden, es wurde von Konrad "Conny" Schnitzler aufgezogen, der bei Kluster (damals noch mit «K» geschrieben) und später bei Tangerine Dream spielte. Optisch durch Lichteffekte unterstützt, traten hier besagte Kluster, Tangerine Dream, Eruption und Agitation Free auf. Hier spielten Rockgruppen zusammen mit Avantgarde-Musikern, und es gab spontane Publikumsaktionen mit Bemalungen etc. Hier konnte man auch schon 1970 die Urformation von Kraan hören, die ihren Übungsraum damals am Kottbusser Damm hatten. Hauptgruppe im Zodiac waren allerdings Agitation Free, die hier ab 1968 manchmal monatelang bis zu fünfmal in der Woche auftraten.

Beautiful Balloon[Bearbeiten]

Das Beautiful Balloon war (im ehemals größten Lichtspieltheater Berlins) am Lehniner Platz entstanden, wo heute die Schaubühne ihr Domizil hat. Zur Eröffnung spielten The Nice. Das Beautiful Balloon war aufwendig eingerichtet und ebenfalls mit Lichteffekten versehen worden. Wenn es hier auch englische und amerikanische Spitzenbands zu sehen gab, so war der Laden für damalige Verhältnisse sehr teuer. Konzerte kosteten 12 bis 15 DM, der Eintritt an Abenden ohne Live-Musik betrug 6 DM. Das Beautiful Balloon galt als einziger Laden in Berlin als nicht stürmbar.

TU Mensa[Bearbeiten]

Die wichtigsten Veranstaltungsorte der Berliner Rockszene waren aber die ganzen siebziger Jahre hinweg die alte TU-Mensa, das Quartier Latin und das Quasimodo. Gerade durch die Verknüpfung von Universität, Politik und Rockmusik in dieser Szene ab 1968 waren schon Audimax-Konzerte an der Technischen Universität und an der Freien Universität veranstaltet worden. Zentrale Bedeutung in diesem Zusammenhang erhielt die alte TU-Mensa an der Hardenbergstraße. Oft traf man hier die Kommunarden der K1 an, um einleitende Worte zum Konzert von Rainer Langhans zu hören. Nachdem demonstrativ ein überdimensionaler Joint ins Publikum gereicht worden war, begannen Guru Guru, Can, Amon Düül oder Tangerine Dream zu spielen. Oft fanden sich spontan Session-Gruppen aus den anwesenden Bands zusammen. Bis heute steht die alte TU-Mensa für die Verbindung von Politik und Rock. Sie wird vom Studentenwerk verwaltet und kann frei angemietet werden. Deshalb fanden viele Klein- und Amateurrock-Festivals dort statt, zum Beispiel von der Berliner Musiker Initiative, der Fachgruppe Musik der Deutschen Schreberjugend Berlin, von der Just Friends Vereinigung und von Rock gegen Rechts.

Quartier Latin[Bearbeiten]

Das Quartier Latin in der Potsdamer Straße 96 wurde in der wilhelminischen Zeit als Teil einer Stadtvilla erbaut und diente in den fünfziger und sechziger Jahren als Uraufführungskino. Ab 1970 gab es in dem 800 Leute fassenden Café/Restaurant/Musikclub beinahe täglich Jazz, Rock oder Folk. 1972 übernahmen Manfred und Christa Sass das Quartier Latin und führten es lange am Rande der Wirtschaftlichkeit. Hatten die beiden lange Zeit noch Programmgestalter (erst Klaus Achterberg, dann Siegfried Uhse, so übernahm Manfred Sass später diese Aufgabe selbst. Das Quartier genießt auch überregional einen guten Ruf, bietet es doch mit dem jährlichen von der Free Music Production veranstalteten Total Music Meeting eine lebendige Alternative zu den sterilen Jazztagen in der Philharmonie. Unter den Berliner Gruppen gilt es als eine Art Hürde: Wenn man im Quartier mit gutem Erfolg aufgetreten ist, öffnen sich der Gruppe eventuell auch andere Türen. In den letzten Jahren sind die Räumlichkeiten mangels Finanzen ziemlich heruntergekommen. Nachdem 1978 endlich die dringend nötige Heizung eingebaut wurde, soll das Quartier Latin mit Hilfe von Senatsgeldern (man spricht von 500.000 DM) noch 1980 restauriert werden. Dann wird das Programm auch über 23 Uhr hinausgehen können, was bisher wegen der mangelhaften Schallisolation zu Problemen mit den Anwohnern geführt hat.

Quasimodo[Bearbeiten]

Eine ähnliche Bedeutung für die Szene hat das Quasimodo im Keller des Delphi-Filmpalasts an der Kant/Fasanenstraße seit Anfang der siebziger Jahre. Vorher war es ein reiner Studententreffpunkt mit Dixielandjazz. Dann kamen auch Free-Jazzer hinein, und bald spielte dort auch Tangerine Dream und Curly Curve. Das Quasimodo ist ein echter Club: Die Bühne ist recht klein, der Zuschauerraum verwinkelt, und wenn es voll wird, kann man die Luft in Scheiben schneiden. Mit Live-Musik kann wegen der benachbarten «Vagantenbühne» erst gegen 22 Uhr begonnen werden. Das Programm hat internationales Niveau, besonders auf dem Jazz- und Jazzrocksektor. Hierfür zeichnet Giorgio Carioti verantwortlich, der sein Programm ebenfalls selbst zusammenstellt.

Treibhaus[Bearbeiten]

Anfang 1974 machte am Lehniner Platz das Treibhaus seine Pforten auf. Am Anfang war hier die Rock-Bigband Os Mundi die wichtigste Gruppe. Später spielten hauptsächlich englische und amerikanische Bands, doch konnte man auch einige Berliner Bands, am häufigsten wohl Juje Box, hören. Das Treibhaus gehörte den Besitzern des vorher als Drogenumschlagplatz und Musikertreff wichtigen Unlimited am Olivaer Platz. 1976 wurde das Treibhaus umgebaut und als Diskothek Tolstefanz wieder eröffnet. Nach Drogenproblemen wurde nach einer längeren Umbaupause hieraus Mendelson, ein Café/Restaurant mit gelegentlichen New-Wave-Livekonzerten.

Roxy[Bearbeiten]

Das Roxy, ein umgebautes Kino an der Hauptstraße in Friedenau, konnte 1976 mit einigen sehr guten Konzerten von Karthago bis Country Joe McDonald aufwarten. Das Klima im Roxy war sehr gelöst, und man kann es mit seinen Spiegelkonstruktionen, Palmen und Schaumgummisitzen vor dem Umbau Ende 1976 als Underground-Relikt bezeichnen. Wegen mangelnder Schallisolation mußten die Livekonzerte kurze Zeit später aufgegeben werden. Der Name wurde während der reinen Diskothekenzeit in «Große Halle des Volkes» geändert. 1978 wurde der Laden endgültig geschlossen und zum Farbengeschäft umfunktioniert.

Kant-Kino[Bearbeiten]

Seit 1976 machte das Kant-Kino in der Kantstraße mehr und mehr als Ort für Musikfilme und Live-Auftritte von sich reden. Reinhard «Conny» Konzack bewies, nachdem er das Kino übernommen hatte, als erster Veranstalter in Berlin einen Riecher für Punk- und New-Wave-Gruppen. Das Konzert der Vibrators im Frühjahr 1977 im Kant-Kino gilt als Startzeichen für die Bildung der ersten Berliner Punk-Band, PVC. In den folgenden Jahren konnte man für wenig Geld oft Gruppen in dem notfalls 800 Menschen fassenden Kant-Kino sehen, die ein Jahr später für ungefähr 20 DM in einer Massenveranstaltung zu hören waren. Als Beispiele seien hier Ian Dury oder die Talking Heads genannt.

Metropol[Bearbeiten]

Das Metropol am Nollendorfplatz blickt auf eine alte Tradition als Theater zurück. 1978 wurde es nach einer Zeit als Porno-Kino im Zuge der Discowelle als Nobeldiskothek mit gelegentlichen Live-Auftritten eröffnet. Die aufwendige Laseranlage war ursprünglich von Tangerine Dream gekauft worden. Peter Baumann hatte sie zusammen mit amerikanischen Ingenieuren entwickelt. Nachdem die Discowelle genauso schnell verschwand, wie sie gekommen war, wurde das «Metropol» in zunehmendem Maße als Lokal für größere Livekonzerte benutzt.

Diskotheken[Bearbeiten]

Außer den jetzt genannten Live-Musik-Läden gab es etliche Diskotheken, die Livekonzerte veranstalteten oder einfach als Treffpunkt für Musiker wichtig waren. Die hier kurz beschriebenen stellen eine Auswahl dar, die die wichtigsten Lokalitäten dieser Art zu berücksichtigen versucht: Die Eierschale befand sich bis Ende 1977 am Breitenbachplatz. Hier sind zum Beispiel Wednesday, die Messengers und Super-Oone-Eleven groß geworden. Ab 1978 ist die Eierschale im Landhaus Dahlem an der Podbielskiallee zu finden.

Die alten Räumlichkeiten der Eierschale am Breitenbachplatz wurden als Jazzkeller neu eröffnet. Zur Einweihung spielten wiederum die Messengers.

Das Riverboat am Fehrbelliner Platz bietet in drei Räumen Diskothek und Live-Musik. Es hat seit langer Zeit Stammgruppen wie die Gloomys.

Im Sound in der Genthiner Straße konnte man bis 1975/76 sehr oft Hardrock hören. UFO, die Scorpions, aber auch Agitation Free und Mythos traten hier auf. Das Sound ist so aufwendig eingerichtet, daß es sich lange Zeit als Europas modernste Diskothek bezeichnete. Discjockey war Burghard Rausch, der schon bei Agitation Free spielte und später bei Bel Ami Schlagzeuger war. Das Sound hat sich, bis auf die Jahresfeten mit Live-Musik, auf reinen Diskothekenbetrieb umgestellt. Geblieben sind Fernsehraum, Teestube, Café, Kino, exotische Tiere und viele Lichtspielereien.

Ähnlich aufwendig war das Cheetah in der Hasenheide, es besitzt einen Tunneleinstieg und eine hydraulische Bühnenkonstruktion. Hier spielten Anfang der siebziger Jahre ebenfalls Underground und Hardrockgruppen; heute treten dort ab und zu Nostalgiegruppen aus den sechziger Jahren auf (Searchers, Troggs, Gerry and the Pacemakers).

Das Park entstand 1969 am Kurfürstendamm 135, heute findet man dort einen Schlüsseldienst. Der untere Raum des Park war sehr groß und strahlte eine kalte Atmosphäre aus. Der Name wurde zu Takt geändert, und so bestand es bis 1974, unterbrochen durch einige Zwangsschließungen wegen Drogenhandels.

Ganz in der Nähe findet man heute zwei NacktTanzbars, «Salambo» und «Triangel». Dieselben Besitzer führten dort Anfang der siebziger Jahre «Club I» und «Club II», letzterer hieß zwischendurch «Baßgeige». Zwar gab es hier nicht so häufig Live-Kkonzerte, doch war RIAS-Moderator Christian Graf dort Discjockey, und die beiden Läden kann man als zentralen Treffpunkt für Rockmusiker betrachten.

In der gleichen Straße wie das Quasimodo war auch Berlins erste Teestube, Dannys Pan, in deren Hinterraum zuerst nur Folkkonzerte stattfanden. Durch die Drogenszene in der Teestube fanden sich auch Rockmusiker ein, und so sah man nachmittags eventuell eine Session mit Tangerine Dream und einem südamerikanischen Gitarristen in Dannys Pan und abends ein Konzert im Quasimodo. Dannys Pan wurde 1971 nach einem Brandanschlag geschlossen.

Das selbstverwaltete Jugendzentrum Drugstore in der Potsdamer Straße besteht, von einigen Unterbrechungen abgesehen, in der heutigen Form seit 1972. Hier etablierte sich im Laufe des Jahrzehnts die jugendliche Spontiszene. Neben politischen Veranstaltungen gibt es hier bis heute oft Livekonzerte. Da im Drugstore kein Eintritt genommen wird, haben die Gruppen hier schon immer unentgeltlich oder gegen die Erstattung der Transportkosten gespielt. Ton, Steine, Scherben, später auch Teller Bunte Knete, gehörten zu den Stammgruppen des «Drugstore».

Die Jugendclubs Dachluke und Sloopy hatten in den ersten Jahren drei Live-Tage im Programm, auch im Jugendheim Noteingang fanden viele Konzerte statt. Das Gasthaus an der Havel ist zwar nur eine Art Holzschuppen, aber hier fanden in den letzten drei Jahren viele gute Konzerte hauptsächlich Berliner Gruppen in intimer Clubatmosphäre statt.

Die Ballhaus Diskothek in Spandau gab von 1977 bis 1979 Gruppen Gelegenheit zu Liveauftritten (Mythos, Luzifers Friends, ROZZ, ebenso das Yorck-Kino in Kreuzberg Ende 1977. Der Glaskasten im Wedding plante, jede Woche zwei Veranstaltungen durchzuführen, brannte jedoch nach dreimonatiger Existenz im Frühjahr 1978 ab.

Die MusicHall in der Rheinstraße in Steglitz war ursprünglich auf Live-Jazz spezialisiert, brannte jedoch ebenfalls aus. Nach der Wiedereröffnung unter einem anderen Besitzer wandte sie sich mehr und mehr der entstehenden New-Wave-Bewegung zu und hat meist Dienstag und Donnerstag Live-Musik dieser Richtung zu bieten.

Das Punkhouse am Lehniner Platz existierte nur ungefähr ein Jahr lang (1978) als Punk-Diskothek mit gelegentlichen Liveauftritten Berliner Bands.

SO 36[Bearbeiten]

Wichtigster Auftrittsort und Szenenmittelpunkt für die Berliner New-Wave-Szene war das SO 36 (so benannt nach der alten Kreuzberger Postbezeichnung) in der Kreuzberger Oranienstraße. Die ehrgeizigen Gesellschafter dieses Clubs brachten es fertig, direkt aus London und New York die neuesten Gruppen dieses Genres zu verpflichten, in ihrem kahlen, vom Neonlicht grell beleuchteten Saal zu spielen. Es gab allerdings einige Fehler in der Konzeption dieses für Berlin einmaligen Lokals. Die Öffentlichkeitsarbeit war unzureichend. So konnten die Interessierten aus entfernteren Bezirken sich nur selten aufraffen, ins finstere Kreuzberg zu fahren. Die Kreuzberger Punks dagegen hatten mit einem anspruchsvollen avantgardistischen Laden wie dem SO 36 nichts im Sinn. Sie konnten sich von Anfang an vielmehr nur mit dem harten, anarchistischen Pogo-Punk, wie er von den SEX PISTOLS produziert worden war, identifizieren. Außerdem wurde das SO 36 von der Kreuzberger Politszene, bis hin zu einem Kassendiebstahl, mit Prügelei bekämpft. So gab die Leitung den nervenaufreibenden Kampf um bedeutende neue Gruppen wie WIRE, RED CRAYOLA oder die ReggaeGruppe STEELPULSE und um die noch schwerer zu erlangende Gunst des Publikums nach neuneinhalb Monaten am 30. Juni 1979 mit einer großen Fete auf.

Abschließend zu diesem Teil kann man einige Trends der siebziger Jahre festhalten, was Berliner Läden für Live-Rock angeht. Es begann mit den Undergroundläden und einem Boom der Live-Musik. Selbst heutige Teeny-Diskotheken wie das «Big Eden», «Big Apple» oder Cheetah ließen Hardrockgruppen auftreten. Mitte der Siebziger kamen mehr und mehr reine Diskotheken mit großen Anlagen, aber ohne Live-Musik auf; andererseits spielte sich das Konzertleben jetzt hauptsächlich in den Riesenhallen wie der Deutschlandhalle ab. Die übriggebliebene Clubszene, ausgenommen die Folkszene und zum Teil die Jazzszene, vegetierte dahin. Erst gegen Ende des Jahrzehnts, mit Entstehung einer Berliner New-Wave-Szene verbunden, kommt die Live-Musik im kleineren Rahmen wieder zu größerer Beliebtheit.

Die Berliner Bands[Bearbeiten]

Am Ende des Jahrzehnts belaufen sich die Schätzungen, nur um zwei Grenzzahlen zu nennen, auf 300 bis 1000 Gruppen, wenn man die Amateurbands mitrechnet. Wesentlichen Einfluß auf die frühe Rockszene übte der Avantgarde-Komponist Thomas Kessler mit seinem der Musikschule Wilmersdorf angeschlossenen Beat-Studio in der Pfalzburger Straße aus. Er richtete dieses für heutige Verhältnisse sehr kleine Studio 1968 ein. In den folgenden Jahren konnte eine Auswahl Berliner Gruppen dort über lange Zeit üben. Dies waren: die Avantgarde-Gruppe Nosehead, Agitaion Free, Tangerine Dream, Ash Ra Tempel und einigen Blues- und Jazz-Rock-Gruppen. Thomas Kessler vermittelte den Musikern dabei auch musiktheoretische Kenntnisse und führte sie an elektronische Geräte heran, weshalb er gern als Vater der sogenannten Berliner Elektronikschule bezeichnet wird. Der jetzige Toningenieur des Studios, Gerd Blum, wurde ebenfalls von Kessler angelernt. Durch das gemeinsam benutzte Beat-Studio hatten die Musiker engen Kontakt miteinander, der sich dann über die Jahre in einem regen Musikeraustausch äußerte.

Tangerine Dream[Bearbeiten]

Die wohl bis heute bekannteste Berliner Band ist Tangerine Dream. Edgar Froese stellte 1967 mit Kurt Herkenberg(Bass), Volker Hombach(Geige, Flöte, Gesang), Lanse Hapshash(Schlagzeug) und zeitweise auch Charlie Prince(Gesang) die erste Formation unter diesem Namen zusammen. Das erste Konzert fand in der alten TU-Mensa statt. Nach einem erfolgreichem Gastspiel auf den Essener Songtagen von 1968 löste Froese die erste Tangerine Dream-Formation auf und bildete bald mit Klaus Schulze und Konrad Schnitzler die zweite, mit der die erste LP Electronic Meditation beim Ohr-Label von Rolf-Ulrich Kaiser und Peter Meisel eingespielt wurde. 1970 wurde auch diese Formation aufgelöst. Conny Schnitzler arbeitete als Gründungsmitglied bei Kluster, dann mit seiner eigenen Band Eruption und leitete den schon beschriebenen Multi-Media-Laden Zodiac. 1978 produzierte er eine SoloLP unter dem Titel Con. Klaus Schulze gründete mit Hartmut Enke und Manuel Göttsching Ash Ra Tempel, um ab 1971 erst Timewind zu formieren und dann eine Solokarriere zu verfolgen. Die dritte Formation um Froese bestand aus Christoph Franke(erst Schlagzeug, dann Synthesizer) von Agitation Free und Steve Schroyder(Orgel). Es entstand Alpha Centauri, die Rolf-Ulrich Kaiser zur Zusatzbezeichnung Kosmische Musik seines OhrLabels veranlaßte. Nachdem Hans-Peter Baumann von Burning Touch Schroyders Platz eingenommen hatte, kaufte man sich einen Synthesizer. Tangerine Dream wurde zur elektronischen Band und bestand in dieser Formation bis Ende 1977. Die Band gelangte bekanntermaßen zu internationalem Ansehen und verkaufte bis heute die meisten Platten unter den deutschen Gruppen. Sie besteht nach weiteren Umbesetzungen noch heute.

Agitation Free[Bearbeiten]

wurde 1967 von 15- bis l7-jährigen Gymnasiasten als Zusammenschluß zweier Rockgruppen gebildet. Neben Tangerine Dreamwar sie bis 1974 die meistbeschäftigte Gruppe in Berlin. Sie wurde zur Hausgruppe des Zodiac und trat oft in Verbindung mit linken politischen Gruppen auf. Agitation Free verband avantgardistische, happeningartige optische Effekte mit einer improvisierten Musik langer Stücke; typisch waren abwechselnd rockige Passagen und elektronische Klangcollagen. Bei Agitation Free spielten in der Zeit von 1967 bis 1974 unter anderem Christoph Franke(später Tangerine Dream), der ausgeflippte Manfred Brück alias John L., Axel «Ax» Genrich(später Guru Guru), Michael Hoenig(später Timewind, dann Solokarriere), Burghard Rausch(Diskjockey im Sound, später RIAS-Mitarbeiter und Schlagzeuger bei Bel Ami) und Dietmar Burmeister(vorher Ash Ra Tempel).

Ash Ra Tempel[Bearbeiten]

wurde gegründet, als sich Klaus Schulze nach seiner Zeit bei Tangerine Dream 1970 mit der Steeple Chase Bluesband um Manuel Göttsching zusammentat. Die Gruppe machte Anfang der siebziger Jahre Drogenerfahrungen - unter anderem mit Timothy Leary. Dies drückte sich auch in ihrer Musik aus, die anfangs nie verbindlich war und konkrete Texte im Gesang mied. In dieser Zeit (1972) spielte auch Micky Duwe bei Ash Ra Tempel(später bei Metropolis, 1979 Solo-LP). Nachdem Klaus Schulze die Gruppe 1971 verlassen hatte, und die Zusammenarbeit mit Micky Duwe sowie mit der Sängerin Rosi Müller beendet war, steht der verkürzte Name Ash Ra für Manuel Göttschings Soloprojekte.

Curly Curve[Bearbeiten]

wurde schon 1968 als Bluesgruppe gegründet. Kurt Herkenberg, der zwischendurch zur ersten Besetzung von Tangerine Dream gehörte, spielte hier Baß. Von 1969 bis 1973 spielte Alex Conti bei Curly Curve Gitarre, der über Atlantis und Rudolf Rock & die Schocker zu Lake kam und maßgeblichen Anteil am Erfolg der Gruppe hatte. Curly Curve hinterließ eine LP aus dem Jahr 1974.

Mythos[Bearbeiten]

wurde 1969 von Stephan Kaske(Flöte, Synthesizer, Gitarre) ins Leben gerufen. Der für damalige Verhältnisse in Musiktheorie gut ausgebildete Kaske beeindruckte auf der ersten Langspielplatte von 1972 mit einer umrangierten Feuerwerksmusik von Händel. Er komponierte neben den LPs mehrere Auftragsmusiken für das Deutsche Fernsehen. Er ist nach mehreren Umbesetzungen heute das einzige Urmitglied von Mythos. Zur ersten Besetzung gehörte auch Thomas Hildebrand, der danach bei Metropolis zu finden war.

Os Mundi[Bearbeiten]

war Anfang der siebziger Jahre Berlins Rock-Big-Band. Einige der Musiker hatten schon 1966 bei den Safebreakers gespielt, die erste Silbe Os steht allerdings für die eigentliche Vorgängergruppe Orange Surprise. Die Gruppe beeindruckte ab 1970 mit komplexen Arrangements; Rock-, Funk- und Jazz-Einflüsse wurden miteinander verwoben. Als wichtige Mitglieder wären zu nennen: Ludolf Kuchenbuch(Tenor und Sopransaxophon), Klaus Henrichs(Bariton und Altsaxophon), Raimund Rilling(Cello, Violine), Udo Arndt(Gitarre, heute ein begehrter Produzent) und ab 1974 die Sängerin Ute Kannenberg(vorher bei den Firestones und Metropolis, auch bekannt als Schlagersängerin Tanja Berg). In ihrer Blütezeit, 1973/75, füllte Os Mundi auch größere Säle und tourte durch einige europäische Großstädte. 1976 wurden die letzten Konzerte gegeben; zwei Platten wurden noch in der rockigen Phase (1970 bis 1972) produziert.

Metropolis[Bearbeiten]

wurde 1973 nach einer Session unter dem Namen Stage formiert (mit dem Konzept, Musik und Texte über das Leben in der Großstadt zu machen), jedoch in diesen passenderen Namen umbenannt. Die Gruppe bestand im einzelnen aus Thomas Hildebrand (von MYTHOS, Schlagzeug), Michael «Micky» Duwe (von Ash Ra Tempel, Gitarre und Gesang), Ute Kannenberg (Gesang, siehe oben), drei Mitgliedern von Zarathustra und dem Gitarristen Helmut Binzer von Professor Wolf. Metropolis hinterließ eine LP und löste sich 1975 auf.

Karthago[Bearbeiten]

entstand 1970 um den Gitarristen Joachim «Joey» Albrecht. Zu der ersten Formation unter diesem Namen gehörten weiterhin Gerald Luciano Hartwig (Baß), Thomas «Tommi» Goldschmidt (Percussion, später bei Release Music Orchestar, Ingo Bischof (Keyboards, später bei Kraan) und Wolfgang Brock (Schlagzeug, später RATTLES). Brock wurde 1973 durch Norbert Lehmann ersetzt später bei EPITAPH), dieser wiederum 1974 von Konstantin «Konny» Bommarius. In späteren Formationen spielte noch der ehemalige Bassist von JETHRO TULL, Glenn Cornick, und der Schlagzeuger von ATLANTIS, Ringo Funk, bei KARTHAGO. Joey Albrecht ist bis heute (KARTHAGO wurde Ende 1975 aufgelöst) einer der brillantesten Gitarristen Berlins; er hat eine eigene Gruppe unter dem Namen Joey Albrecht Band.

Birth Control[Bearbeiten]

lebten von ihrer Gründung 1968 bis 1972 in Berlin, danach in der Nähe von Frankfurt. Um nach der ersten LP weiter professionell bestehen zu können, begleitete die Gruppe um 1970 Michael Holm bei dessen Liveauftritten. Mit Bernd Noske besaß die Band neben seinen Fähigkeiten als Schlagzeuger auch einen der wenigen fähigen deutschen Sänger. Birth Control erfreuten sich am Anfang des Jahrzehnts großer Beliebtheit in Berlin und Westdeutschland. Ab 1976 schwand diese Popularität, doch die Gruppe existiert bis heute auf professioneller Basis. Ihre Musik ist ein rhythmisch starker Hardrock und fand ihren Höhepunkt auf der dritten LP von 1973, Hoodoo Man.

Ton, Steine, Scherben[Bearbeiten]

gibt es unter diesem Namen Seit 1970. Die Band war mit ihren politischen Texten fester Bestandteil der Berliner Szene. Die 3000 Exemplare der ersten Single «Macht kaputt, was euch kaputt macht» waren in vierzehn Tagen vergriffen, das Stück wurde zu einer Art Hymne. Ton, Steine, Scherben spielten nach dem Festival auf Fehmarn 1970 für keinen kommerziellen Veranstalter mehr. Sie gaben viele Freikonzerte. Die Scherben waren dann 1976 Mitbegründer des Musikerlabels und Vertriebs April, später Schneeball, und zogen nach Westdeutschland. Später arbeiten sie oft mit Theatergruppen wie Brühwarm und Hoffmanns Komik Theater zusammen.

Lokomotive Kreuzberg[Bearbeiten]

war ab 1972 die zweite große Polit-Rock-Gruppe Berlins. Ihre Live-Programme waren ausgearbeitete Konzepte mit Elementen des Straßentheaters. Seit 1973 arbeiteten die Musiker als Profis. Aus politischem Engagement blieb die Gruppe bei dem kleinen Pläne-Verlag. So kam der Gruppe keine großangelegte Promotion zugute, und wegen der politischen, in deutscher Sprache verfaßten Texte weigerten sich einige Rundfunkintendanten, Beiträge über die Gruppe senden zu lassen. Lokomotive Kreuzberg hätte allein auf Grund ihrer musikalischen Fähigkeiten mehr Beachtung verdient. Der technische und musikalische Aufwand, der aus dem professionellen Anspruch der Gruppe resultierte, konnte Ende 1977 durch diese widrigen Umstände nicht mehr gehalten werden und so kapitulierte die Band. Manfred «Manne» Praeker (Baß), Bernhard «Potsch» Potschka (Gitarre) und Herwig Mitteregger (Schlagzeug) stellten später bei der Nina Hagen Band ihr Können unter Beweis.

Bakmak[Bearbeiten]

ist die wohl profilierteste Jazzrock-Formation in Berlin und trat zum ersten Mal 1972 unter diesem Namen auf. Dem Stil nach ist diese Gruppe in die Nähe von Weather Report einzuordnen. Bakmak ereilte das Schicksal vieler guter deutscher Gruppen: Sie erhielt zwar einen Plattenvertrag und produzierte zwei LPs, aber es wurde kaum dafür geworben Außerdem wurde der Gruppe bei der ersten Platte auch noch eingeredet, eine Kunstkopfaufnahme würde sich bei Jazzrock besser verkaufen. Reinhold Heil, der ab 1974 bei Bakmak spielte, vernachlässigte 1977 die Mitarbeit an der Gruppe, um sich der Nina Hagen Band anzuschließen.

Teller Bunte Knete[Bearbeiten]

fanden sich im Januar 1977 zusammen, um ihren sogenannten «Volksrock» zu spielen. Bis auf einen Elektrobaß spielen die fünf Musiker nur akustische Instrumente wie Gitarren, Mandolinen, Mundharmonikas, Schellenringe und singen ihre auf alternatives Leben in der Großstadt ausgerichteten deutschen Texte dazu. Sie werden von Berliner Kritikern als eine Gruppe mit «Westcoast Feeling» bezeichnet, doch ist ihre Musik und auch ihre Konzeption eher mit DAVID PEEL & THE LOWER EAST SIDE aus New York zu vergleichen. Teller Bunte Knete avancierte mit ihrer spontanen, flippigen Tanzmusik schnell zur Hausgruppe des Drugstore - und damit der Berliner Spontiszene.

Flying Lesbians[Bearbeiten]

Schon 1974 formierte sich die erste feministische Frauenrockband Berlins, die Flying Lesbians. Die Gruppe spielte nur vor weiblichem Publikum, ihre 1975 aufgenommene LP gibt es auch nur in Frauenbuchläden zu kaufen.

Lysistrata[Bearbeiten]

Ihr Erbe hat in Berlin die Frauengruppe Lysistrata angetreten, die mit dem gleichen Anspruch an Rockmusik, von Frauen für Frauen, arbeitet. Anfänglich waren die Frauenrockband noch auf technische Hilfe von Männern angewiesen, sie haben sich aber davon befreit.

Morgenrot[Bearbeiten]

entstand 1975 mit dem Konzept, Hardrock mit deutschen Texten zu verbinden.

Bel Ami[Bearbeiten]

Eine ähnliche musikalische Linie verfolgte Bel Ami, mit dem ehemaligen Agitation Free-Schlagzeuger Burghard Rausch, die auch eine LP produzierten.

Nina Hagen Band[Bearbeiten]

Von den Plattenverkäufen her war die Sensation des Jahres 1978 die Nina Hagen Band. Nina Hagen war 1976 kurz nach der Ausbürgerung ihres Ziehvaters Wolf Biermann zuerst nach London gezogen. Kurz danach wurde, mit drei Musikern der Lokomotive Kreuzberg und Reinhold Heil von Bakmak, die Nina Hagen Band formierte. Als geschickter Manager erwies sich der schon vorher bei CBS als Photograph beschäftigte Jim Rakete, dessen Marktstrategie einen nicht unerheblichen Anteil am Erfolg der 1978 erschienenen Debütplatte hatte. Die LP setzte neue Maßstäbe in der deutschen Rockmusik. Besonders Ninas Stimmartistik kannte man bis dahin nicht. Nicht endgültig geklärte Querelen einerseits mit der Band, andererseits mit CBS um Prozente in Verträgen brachten Nina Hagen dazu, sich von der Band zu trennen. Die zweite Einspielung heißt bezeichnenderweise "Unbehagen".

Amerikaner und Engländer[Bearbeiten]

Schon seit längerer Zeit beleben und bestimmen einige Engländer und Amerikaner mit ihrer Musik einen Teil des Clublebens. Hierzu gehören drei Mitglieder der Gruppe Wednesday. Auch John Vaughan, Tom Cunningham, Henry Hirsch, Shelley Beal, Frank Slim, Jim Kahr usw. haben sich 1978 unter Führung von Jesse Ballard zu JESSE BALLARD' VOCAL CIRCUS zusammengeschlossen. Die Gemeinschaft aus insgesamt 31 Musikern trat damals in einer Vier-Stunden-Revue auf und existierte als Musikergemeinschaft weiter.

Punk und New Wave[Bearbeiten]

Als erste Punk-Band in Berlin formierte sich PVC im Mai 1977. PVC konnte sich mit ihrem «Wall City Rock» eine große Fangemeinde erspielen, löste sich aber Mitte 1979 ohne eine Plattenveröffentlichung auf. Die erste Berliner New-Wave-Platte wurde von Tempo herausgebracht, einer Band, die in der Music-Hall groß wurde und sich vom anfänglichen Punk zu einem harten Beat entwickelte.

Nachtrag[Bearbeiten]

Bei dieser Beschreibung einiger Berliner Bands der siebziger Jahre mußte so manche wichtige Gruppe ausgelassen werden. Am Ende des Artikels sind aus diesem Grund alle mir bekannten, auch die hier nicht beschriebenen, Bands aufgeführt.

Szenen und Musikervereinigungen[Bearbeiten]

Am Anfang der siebziger Jahre waren die Musiker in Berlin offen für jede Stilrichtung. Bei Konzerten in der alten TU Mensa spielten Free-Jazzer, Rockmusiker und Avantgardisten zusammen, in Dannys Pan Folkmusiker mit Rockmusikern. Gleichzeitig war es unmöglich, Politik und Rockmusik voneinander zu trennen. Zur politisch bewußten Haltung vieler Rockmusiker gehörte es, Freikonzerte zu geben. Jeder Musiker war für Experimente offen, die Musik vieler Gruppen bestand aus langen, improvisierten Stücken. Als Mitte der siebziger Jahre mehr und mehr englische und amerikanische Gruppen nach Berlin kamen und im gesamten Publikumsgeschmack eine Tendenz zum Kommerz zum Tragen kam, wirkte sich dies als Drang bei den Musikern aus, eine angelsächsische Professionalität und einen eigenständigen Gruppensound zu erreichen.

Gleichzeitig schlich sich unmerklich ein ungeheures Konkurrenzdenken und eine Intoleranz anderen Musikstilen gegenüber ein. So entstanden mehrere ziemlich abgekapselte Szenen: eine Folkszene, eine Rockszene, eine Avantgarde-Szene, eine Jazzszene. Es bildeten sich gewisse Markenzeichen Berliner Musik heraus, die sogenannten Berliner Elektronikschule, der Berliner Jazzrock, eine spezielle Latin-Szene und neuerdings auch Berliner New Wave. Bei der wachsenden Zahl von Gruppen in Berlin machten sich die spezifischen Musikerprobleme dieser Stadt zunehmend bemerkbar. Berlin besitzt kein Hinterland, in das die Gruppen für Auftritte ausweichen könnten. Überhaupt mangelt es an Auftrittsorten, und jede der einzelnen Musikszenen beklagt sich, daß die anderen sie eventuell von ihren Domizilen vertreiben. Herrscht in Berlin schon große Wohnungsnot, so ist es für die Gruppen beinahe ein Ding der Unmöglichkeit, einen erträglichen Übungsraum mit Heizmöglichkeit und ausreichender Schallisolation zu finden.

Übungsräume[Bearbeiten]

Einige Orte lohnen hier festgehalten zu werden, weil dort mehrere Gruppen gleichzeitig Übungsräumlichkeiten fanden: Am Paul-Lincke-Ufer in Kreuzberg hatten seit 1971 in den Fabriketagen und Kellern um die Häuser Nummer 42/43 viele Gruppen ihr Zuhause, zum Beispiel [[Agitation Free, Os Mundi, Morgenrot (die hier auch 1977 das Café Morgenrot eröffneten), Rozz (die Gewinner des Nachwuchsfestivals der Deutschen Phonoakademie, Abteilung Jazz, 1979). Der Eigentümer der Räume teilte die Räume immer mehr auf, als er merkte, daß sich aus der Hilflosigkeit der Gruppen Kapital schlagen läßt. 1978 waren ca. 30 Bands im Paul-Lincke-Ufer untergebracht, von denen einigen 1979 gekündigt wurde, unter anderem auch den Frauenrockbands.

In der alten Wrangelkaserne in Kreuzberg übten bis 1975 etwa dreißig Gruppen, die mit dem Abriß des senatseigenen Gebäudes allesamt mit einem Schlag auf der Straße standen. In den Kellern des Fabrikgebäudes Ritterstraße 11 in Kreuzberg üben bis heute ca. zwanzig Bands, darunter einige Tanzkapellen, aber auch Mon Dyh.

Direkt neben dem Axel-Springer-Hochhaus an der Mauer in Kreuzberg übten Mitte der siebziger Jahre ca. 30 bis 40 Gruppen in den Kellern eines Gebäudes an der Lindenstraße. Die Räume werden teilweise noch genutzt, sind aber kalt und feucht.

Mehrere Gruppen, unter anderem auch Tangerine Dream, übten bis zur Kündigung durch das Bezirksamt 1978 in den alten UFA-Filmstudios in Tempelhof. Das Gebäude wurde kurze Zeit später besetzt und wird seit 1979 von verschiedenen alternativen Kulturgruppen und auch Rockgruppen unter dem Namen Fabrik für Kultur, Sport und Handwerk e. V. als Übungs- und Veranstaltungsort genutzt.

In den Kellern des Mercator-Druckhauses an der Potsdamer Straße in Schöneberg, wo Der Tagesspiegel und Der Abend erscheinen, haben sich mehrere Jazzrock-Gruppen eingerichtet: Changes, Firma 33, Margo, Bleibtreu Revue.

Eine Art Kulturfabrik sollte nach dem Willen von Bürgerinitiativen zuerst im ehemaligen Proviantgebäude von 1887, dann im Fichtebunker (beides in Kreuzberg) entstehen. Geplant war auch der Aufbau eines Rockhauses mit Übungsräumen und einem Studio in Spandau. aus all dem ist bis 1980 allerdings nichts geworden.

Organisationen[Bearbeiten]

Doch wenden wir uns jetzt den Versuchen Berliner Rockmusiker zu, sich angesichts ihrer mißlichen Lage zu organisieren. Die erste Gemeinschaft in den siebziger Jahren war O.M.A. Productions, gebildet aus Os Mundi und Agitation Free, wo auch die Flying Lesbians mitarbeiteten. Die Gemeinschaft wurde 1972 am Paul-Linke-Ufer unter dem Management von Klaus Müller (heute Manager von Klaus Schulze) aktiv.

Zur gleichen Zeit schlossen sich schon verschiedene andere Bands locker zusammen, indem sie mit einer gemeinsamen Anlage oder einem gemeinsamen Manager arbeiteten.

Berliner Musiker Initiative[Bearbeiten]

Die Berliner Musiker Initiative (BMI) wurde 1973 ins Leben gerufen. Als die Amateurbands in Scharen in diese Vereinigung strömten, diese als eine bessere Auftrittsvermittlung begriffen, und als der Nichtmusiker Lutz Manthe die Leitung übertragen bekam, zogen sich die bedeutenden Bands zurück. Die BMI vegetierte bis zu ihrer endgültigen Auflösung 1975/76 dahin. Ungefähr mit deren Zusammenbruch begann die Fachgruppe Musik der Deutschen Schreberjugend Berlin aktiv zu werden und sog einen Teil der BMI-Gruppen auf. Sie veranstaltete mehrere Rockfestivals, die geschäftlich allerdings nicht immer erfo1greich waren. Wie schon erwähnt, vereinigte Jesse Ballard die meisten in Berlin lebenden angelsächsischen Clubmusiker in seinem «Vocal Circus». Aus den schon vorher regelmäßig veranstalteten «Spandauer Rockfesten» entwickelte sich 1979 die «Just Friends»Initiative Spandauer und Berliner Rockmusiker, die mit dem SchneeballVertrieb der Musiker zusammenarbeitet. Die Interessengemeinschaft Rock (IG Rock) wurde 1978 aus Anlaß der Kündigung der UFAFilmstudios als Übungsräume gegründet und verlegte sich nach einer kurzen enthusiastischen Phase nur noch auf eine Nutzung des UFAGeländes. Nach dem Aufkommen der «Rock gegen Rechts»Bewegung in Westdeutschland  beeinflußt durch die englische «Rock Against Racism»Bewegung bildete sich auch eine Berliner Arbeitsgemeinschaft unter diesem Namen. Neben Hamburg und Tübingen gehört sie zu den regionalen Organisationen, die sich aus Musikern und nicht aus politischen Gruppen zusammensetzt. Ende 1979 sind sechzehn Gruppen, darunter Bands der Fachgruppe Musik und der IG Rock sowie alle JustFriendsGruppen, Mitglied bei «Rock gegen Rechts Berlin«.

Von 1976 bis 1978 zog die Inselatmosphäre Berlins mehrere Rockgrößen an, die dann hier wohnten oder längere Zeit in den hiesigen Studios verbrachten. Dazu gehörten David Bowie, Brian Eno, Nico, Robert Fripp, Lou Reed und Iggy Pop. Wichtigstes Studio für diese Gastszenerie war das Hansa-Studio «by the Wall». Vielleicht war es auch das Berliner Publikum, das es ihnen angetan hatte. Es gilt zwar als überkritisch und schwer in Fahrt zu bringen  Begeisterungsstürme gibt es oft nur, wenn es darum geht, eine Zugabe zu erklatschen, es hat aber immer schon eine Vorliebe für Dekadenz gehabt, wie sie die Mehrzahl der oben genannten verkörpern. Und ihre Vorlieben haben die Berliner immer offen gezeigt. Reggae hatte hier schon früh eine große Anhängerschar, und auch die „Neue Welle“ fand in Berlin sehr schnell offene Ohren. Negativer Effekt bei letztgenannter Richtung ist in Berlin (obwohl dies auch für London und Hamburg gilt), daß die dazugehörige Szene äußerst intolerant gegenüber Andersdenkenden ist und sich Punks, Teds, Rude Boys etc. gegenseitig befehden. Bemerkenswert, daß es trotzdem einen gemeinsamen Anlaufpunkt für diese Publikumsszenen gibt, den Plattenladen «Zensor» von Burghard Seiler (in der Belziger Straße), der alle diese Musikrichtungen führt.
Eine große Stadt wie Berlin besteht aus Extremen, die große Masse von Menschen zwingt den Einzelnen, äußerste Anstrengungen zu unternehmen, um sich als Individuum zu bestätigen. So brachte Berlin Erscheinungen wie Ben, den Rollschuhläufer, hervor, den man schon lange vor der bekannten Modeerscheinung mit seinen Rollschuhen seltsam gekleidet auf dem Ku-Damm oder in den Diskotheken laufen sah. Manfred Brück war der Ben der Rockmusik Berlins. Er kam 1967 nach Berlin und drängte sich 1969 als John L. der Band AGITATION FREE als Sänger auf. Er tanzte dann bei deren Konzerten meist nackt, mit feuerrot bemaltem Penis, durch das Publikum oder rezitierte zusammenhanglose Texte. Doch teilweise gelang es ihm, sehr viel von seinem «Feeling» an das Publikum zu vermitteln. 1971/72 fand man ihn bei ASH RA TEMPEL, mit denen er das Album Schwingungen aufnahm. Wie er heute sagt, hatte er damals zu viele Trips genommen und war mehrere Jahre nicht mehr «heruntergekommen». Heute nennt er sich Noah und versucht mit seiner Frau Era, mit Synthesizer und indischen Instrumenten «Science-Fiction-Musik» zu machen.
Das Rock-Geschäft
Das große Geschäft mit dem Rock machten Anfang der siebziger Jahre noch die Berliner Konzertagenturen Jänicke und Laur, denen aber im Laufe der Jahre «concert concept» und «Albatros Concerts» (letztere wurde von Conny vom Kant-Kino geleitet) der Rang abgelaufen wurde. Die meisten großen Rockveranstaltungen werden heute von diesen beiden letztgenannten Agenturen durchgeführt. Durch die wachsende Zahl von Musikern und ihre höher gewordenen Ansprüche an technisches Gerät haben sich einige neue Musikalienhandlungen etablieren können.
Das kleine Geschäft mit dem Rock versucht seit zwei Jahren der Senat zu machen. Jahrelang hat man Rockmusikern Bestimmungen über Lautstärke auferlegt und ihre Übungsräume abgerissen. Dann wurde 1979 ein Etat für freie Gruppen bewilligt. Ein Teil des Geldes wurde zur Förderung von Rockmusikern veranschlagt. Als Beauftragter für die Sichtung der Rockszene wurde Lutz Manthe beim Senat angestellt, der nach seiner Funktion als Leiter der BMI 12 Ausgaben seines Musikermagazins Fast Nur Musik 1976 herausgegeben hatte. Mit den Senatsgeldern entstanden unter anderem zwei LPs mit einmal vier, einmal acht Berliner Gruppen. Man will als erste deutsche Stadt die lokale Rockmusik fördern; die Erkenntnis, daß die heutigen Rockmusikhörer die Wähler von morgen sind, kam spät, aber sie kam. Nun wird es jedenfalls nicht mehr lange dauern, bis die Berliner Rockmusik in die Berlin-Werbung eingehen wird  doch das wird ein Kapitel der achtziger Jahre sein.