Anlage:5. September 1999 Whitney Houston

Aus Rockinberlin
Zur Navigation springen Zur Suche springen
  • Bericht von Johanna Adorjan im tagesspiegel vom 6. September 1999

"Wenn das Outfit zur Bühnenshow wird. Stimmliche Probleme beeinträchtigen das Konzert der Amerikanerin in der Waldbühne
Fangen wir mal mit der Bühnenshow an: Whitney Houston trug drei verschiedene Outfits von Dolce & Gabbana. Die Bühne betrat sie in einem bodenlangen knallig pink gemusterten Mantel zu einer ebenso knalligen Dreiviertelhose, dazu ein weißes T-Shirt und Stiefeletten im Schlangenleder-Look.

Fangen wir mal mit der Bühnenshow an: Whitney Houston trug drei verschiedene Outfits von Dolce & Gabbana. Die Bühne betrat sie in einem bodenlangen knallig pink gemusterten Mantel zu einer ebenso knalligen Dreiviertelhose, dazu ein weißes T-Shirt und Stiefeletten im Schlangenleder-Look. Nach ein paar Liedern wechselte sie zu einer eleganten Weste-Hose-Kombination in Leoparden-Optik, die sie zu einem schwarzen Rollkragenpullover und zotteliger Felljacke trug. Zur Zugabe schließlich erschien Miss Houston mit einem türkisfarbenen Fellhut.

Das war so ziemlich alles, was an Bühnenshow geboten wurde am Sonntagabend in der Waldbühne. Da stand eine Treppe unmotiviert herum, Lichter gingen an und aus, vier Tänzerinnen tanzten wie in jedem herkömmlichen HipHop-Video, es gab einen kleinen Background-Chor. Ach ja, und eine Band gab es auch. Allerdings konnte sich den ganzen Abend lang keiner der Musiker zu einem Solo aufraffen. So kam Whitney Houstons Kostümen an diesem Abend eine durchaus tragende Rolle zu: Sie allein deuteten an, dass es sich bei der Veranstaltung um mehr als nur eine Probe handelte.

Whitney Houston, 36, ist eine der erfolgreichsten Sängerinnen der Welt. Aus einer musikalischen Familie stammend (ihre Mutter sang Background für Aretha Frankin, die berühmte Dionne Warwick ist eine Kusine) gab Whitney schon mit elf Jahren Konzerte. 1985, sie war 22 Jahre alt, veröffentlichte sie ihre erste Solo-Platte: Mit Hits wie "Saving All My Love For You" oder "The Greatest Love Of All" wurde es die meistverkaufte Soloplatte aller Zeiten und machte die zierliche Sängerin mit dem riesigen Stimmumfang augenblicklich weltberühmt. Das zweite Album, zwei Jahre später veröffentlicht und kurz "Whitney" genannt, war nicht weniger erfolgreich. Es bescherte Whitney Houston sieben Nummer-eins-Hits in Folge (darunter "I Wanna Dance With Somebody" und "So Emotional"). 1988 sang sie die Hymne der Olympischen Spiele von Los Angeles, "One Moment In Time", ein weiterer Welthit. Nach mehreren Film-Soundtracks hat Whitney Houston vergangenen Herbst ihr erstes Soloalbum seit acht Jahren veröffentlicht: "My Love Is Your Love". Die Musik ist etwas rauher als früher, weniger kitschig, "mehr HipHop" sagt Miss Houston selbst.

Doch Whitney Houston, die mit ihrem Mann, dem Rapper Bobby Brown eine sechsjährige Tochter hat, ist im Nebenberuf Schauspielerin. In ihrem erfolgreichsten Film, "The Bodyguard" mit Kevin Costner (1992), spielt sie eine berühmte Sängerin - das Publikum in der gut besuchten Waldbühne konnte sie am Sonntagabend in derselben Rolle sehen. So bestand ihre Hauptleistung nicht etwa darin, hohe Töne zu singen, wie es zu erwarten gewesen wäre, sondern im Gegenteil darin, das Singen hoher Töne geschickt zu umgehen. Whitney Houston hatte Stimmprobleme. Nicht verheerend schlimme, bei einem Konzert allerdings, das allein auf die Ausstrahlung der Sängerin zugeschnitten ist, kann bereits eine kleine stimmliche Beeinträchtigung zu einem großen Problem werden. Die gute Schauspielerin Whitney Houston ließ sich jedoch nichts anmerken. Sie strahlte und lachte den ganzen Abend, und nur mit kleinen Gesten verriet sie ihre Sorge: Oft räusperte sie sich unauffällig blitzschnell zur Seite hin; sie drückte ein Handtuch fest gegen den Hals oder hielt ihren Designer-Mantel in Kragenhöhe mit beiden Händen zusammen, um die Stimmbänder zu wärmen; vor besonders hohen Tönen machte sie Pausen, lachte dann, anstatt sie zu singen oder hielt das Mikrophon in Richtung Publikum.

Einer Sängerin zuzuhören, die sich um ihre Stimme sorgt, ist in etwa so vergnüglich wie einer Eiskunstläuferin mit Knieproblemen bei der Kür zuzusehen. Und da Whitney Houston neben ein paar neuen Songs vor allem ihre altbewährten Hits sang, vor allem gefühlvolle Balladen also, gab es viel zu zittern. Zum Beispiel bei "I Will Always Love You", dem Hit aus dem Film "Bodyguard", der meistverkauften Single überhaupt in der Geschichte der Plattenindustrie. Ganz hoch geht da die Melodie und in einer nicht endenwollenden Vibrato-Schleife singt sie "And-ey-ii-ey-ii-eyhhhhhh-will-always" - an dieser Stelle, genau da, wo die Melodie zum Absprung noch eine Oktave höher ansetzt, machte sie eine Pause. Lachte. Hahaha. So baut man Spannung auf. Nahm einen tiefen Schluck aus dem Wasserglas, das auf einem Tisch neben ihr stand. So baut man Spannung wieder ab. Lachte nochmal. So demonstriert man Zuversicht. Und ganz leise ging es dann hoch hinauf. "You-huuuuuuuu".

Das Publikum nahm es gelassen. Ganz leise ging man nach einer kurzen Zugabe auseinander und konnte immerhin zwei Erkenntnisse mit nach Hause nehmen: als Schauspielerin ist Whitney Houston weit unterschätzt; Animal Prints sind auch kommende Saison ein ganz großes Mode-Thema."